Geschichte der Pfarrei St. Wolfgang

Den Wurzeln und der Geschichte unserer Pfarrei St. Wolfgang nachzuspüren lohnt sich, denn die Wiederentdeckung der Vergangenheit hilft, den eigenen Standort in der Gegenwart zu finden. Dieser Rückblick umfasst neben der Baugeschichte von Pfarrkirche, Pfarrheim und den Biographien der früheren Pfarrer auch die Beschreibung der Alltagsfrömmigkeit und des praktizierten Glaubens.

Kumpfmühl erwachte aus dem jahrhundertelangen Dornröschenschlaf im aufkommenden Industriezeitalter. Man könnte dazu sogar einen Stichtag nennen: Am 9. Dezember 1859 rollten erstmals zwei Dampfzüge gleichzeitig aus Nürnberg über Amberg und Schwandorf kommend und aus München über Landshut und Geiselhöring im neuen Bahnhof Regensburg ein: diese Eisenbahnstrecken waren endlich fertiggestellt. Zu diesen Städten brauchte man damals mit dem neuen Verkehrsmittel zwar noch fünf Stunden, doch das Zeitalter der langsamen, holprigen und tagelangen Postkutschenfahrten war endgültig vorbei. Die Anbindung an das Eisenbahnnetz brachte einen enormen Aufschwung. Für die zahlreichen Angestellten und Arbeiter der Eisenbahn waren Wohnungen nötig. Die Altstadt bot dafür kaum Platz. Es entstanden an der Fikentscherstraße die ersten großen Mietshäuser des Bauvereins Bayerischer Eisenbahner, südlich des Bahnhofs am Eisbuckel gelegen, im Volksmund damals auch Eisenbahnerviertel genannt. Viele weitere Industriezweige und Einrichtungen kamen hinzu. Aus dem kleinen Dorf Kumpfmühl erwuchs plötzlich ein Stadtteil, der einer neuen Pfarrei bedurfte.

Kumpfmühl vor der Pfarreigründung

Wenden wir uns zunächst dem Dorf Kumpfmühl zu in einer Zeit, als die katholische Pfarrei St. Wolfgang noch nicht bestand.

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Das Bild ist eine Rarität, es stammt aus dem Jahre 1905. Deutlich ist vor dem Dom die Theresienkirche zu erkennen, davor (quer durch die Bildmitte verlaufend) die helle Umfassungsmauer des Schulgartens (heute Karl-Bauer-Park). Links eine Ziegelei, da Kumpfmühl auf Lehmboden steht (siehe die Straßenbezeichnung Hafnersteig). Diese Brennerei wurde vor dem Ersten Weltkrieg eingestellt. Die Bäume hinter dem hohen Schornstein am linken Bildrand stehen bis heute im sogenannten Kastaniengarten des Kindergartens St. Wolfgang I. Dahinter, auf der sanften Kuppe des Königsberges,  wurde Jahrzehnte später die Wolfgangskirche erbaut.

Die Errichtung der Pfarrei 1921

Vor einhundert Jahren prägten zwei große Kirchen unsere Gegend vor den Toren Regensburgs.

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Die ehrwürdige Klosterkirche St. Vitus mit ihren beiden achteckigen Türmen, sie ist über 1000 Jahre alt. Bis zur Säkularisation 1803 betreuten die Kartäuser mit ihrer Klosterpfarrei Karthaus-Prüll die Hofmark Kumpfmühl, dann kam das Dorf kurzzeitig zur Pfarrei Dechbetten. Als Kumpfmühl in die Stadt eingemeindet wurde, hat man den Ort dem Sprengel der Stadtpfarrei St. Rupert bei St. Emmeram zugeteilt, und zwar von 1816 bis 1921.

Im Jahre 1900 kam ein weiteres Gotteshaus hinzu. Die Unbeschuhten Karmeliten vom Alten Kornmarkt errichteten am Vitusbach ihre Klosterkirche St. Theresia, daneben ein Filialkloster mit Knabenseminar für den Ordensnachwuchs. St. Vitus und St. Theresia sind heute Nebenkirchen von St. Wolfgang und werden auf unserer Homepage eigens gewürdigt.

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Damals bestand das Dorf Kumpfmühl aus etwa 60 Hausnummern, es gab einen Gasthof, eine Schmiede, eine Gendarmerie und eine Warenhandlung. Die Bewohner lebten zumeist als Handwerker oder Gärtner des Fürstlichen Hauses, arbeiteten in der Ökonomie des Klosters St. Vitus oder betrieben selbst eine Landwirtschaft. Diese Idylle wandelte sich mit der aufkommenden Industrie und mit dem Anschluss Regensburgs an das Eisenbahnnetz 1859 (siehe erster Artikel oben). Neue Berufe entstanden: der Fabrikarbeiter oder der Eisenbahner. Sie benötigten Wohnungen, um die sich der St. Wolfgangsbauverein annahm. Die Zeit für einen eigenen Pfarrbezirk schien reif, denn der Kirchweg über das Bahngelände nach St. Rupert war vielen zu weit. 1917 gründete sich ein eigener Kirchenbauverein, zum Patron war der hl. Wolfgang vorgesehen, sein Grab ist in St. Emmeram. Drei Jahre später wurde der Emmeramer Kooperator Johann Baptist Meister als Seelsorger nach Kumpfmühl entsandt.

Kumpfmühl zählte bereits 4210 Einwohner, als am 13. September 1921 Bischof Antonius von Henle die Pfarrei St. Wolfgang kanonisch errichtete, indem er Kumpfmühl aus dem Sprengel der Mutterpfarrei St. Emmeram löste. Bischof Antonius erwies sich als weitschauender Hirte. Sieben Pfarreien in Regensburg entstanden unter ihm, denn die Stadt breitete sich in alle Windrichtungen aus.

Die Notkirche 1922 – 1937

Expositus Meister kaufte noch im selben Jahr 1921 ein Grundstück auf der Höhe des Königsberges (heute Kirchplatz und Pfarrzentrum) und besorgte eine Militärfliegerhalle aus Grafenwöhr, die er als Provisorium aufstellen und zu einer Kirche ausschmücken ließ. Diese "Stadelkirche" weihte Bischof Antonius von Henle am 6. August 1922 ein.

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Innenaufnahmen belegen, mit welchem Geschick und wie freundlich die Holzkirche St. Wolfgang eingerichtet war. Die dringlichste Sorge der neuen Pfarrei galt den Kindern. Bereits zwei Jahre nach Gründung, 1923, wurde bei der Kirche der erste Kindergarten unseres Stadtteils eröffnet. Das Haus stellte der St.-Wolfgangs-Bauverein zur Verfügung. Da das Geld während der großen Inflation nichts wert war, kam dies einer Schenkung gleich. Arme Schulschwestern zogen ein, die bis 2012 segensreich für unsere Kleinsten wirken.

 

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Baumeister Dominikus Böhm aus Köln

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Die Holzkirche erwies sich für den aufstrebenden Stadtteil als viel zu klein. Dr. Joseph Habbel, Kommerzienrat und Gründer Regensburger Zeitungen, Vorstand im St. Wolfgangsbauverein und Kirchenpfleger, lernte auf seinen Reisen den Kölner Architekten Professor Dominikus Böhm (1880 - 1955) kennen und bat ihn, die Pfarrkirche in seiner Heimat zu entwerfen. Die Wahl Böhms war ein Glücksfall, denn der Schöpfer der Wolfgangskirche gilt inzwischen als der führende Kirchenarchitekt des 20. Jahrhunderts in Deutschland. 50 Kirchen hat er zumeist im Rheinland errichtet, vielen weiteren Kirchen hat er baulich verändert. Böhm besaß den Mut, modern zu bauen, dennoch lassen sich in der Wolfgangskirche vielfältige Verbindungen zur mittelalterlichen Architektur Regensburgs erkennen. St. Wolfgang ist der letzte große Kirchenbau Böhms vor dem Zweiten Weltkrieg und eine Weiterentwicklung seiner Bauten in Essen, Lingen, Bocholt und Bremen. Die meisten seiner Kirchen wurden nach Kriegsschäden beim Wiederaufbau verändert, bei uns ist jedoch seine ursprüngliche Konzeption weitgehend beibehalten, darum zählt St. Wolfgang zu den Schlüsselbauten moderner Kirchenarchitektur.

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1930 lagen erste Entwürfe für eine ovale Kirche vor. In einer Skizze von 1938 schließlich hatte der Baumeister den Altar ins Zentrum der Kirche gerückt. Diese Idee wurde weiterverfolgt, es war eine mutige Idee, wie sich noch zeigen wird. Ein Kirchenbau während der Zeit des Dritten Reiches bildete zudem eine Herausforderung, wie sich noch zeigen wird, er erforderte viel Gottvertrauen, Mut und Zielstrebigkeit aller Pfarrmitglieder. Der umfangreiche Briefverkehr im Pfarrarchiv zwischen Stadtpfarrer Meister und dem Kölner Baubüro belegt dies.

Dorniger Kirchenbau in der NS-Zeit 1938 - 1940

Pfarrer Meister fuhr nach Berlin, um die Baugenehmigung abzuholen: Ein Wunder war geschehen! Schon am Tag danach wurde die Notkirche abgerissen, um vollendete Tatsachen zu schaffen, bevor es sich die kirchenfeindlich eingestellte Baubehörde anders überlegt. Die beiden Nebenaltäre Hl. Maria und Herz Jesu schmücken heute die Kirche in Kareth. Am 26. Juni 1938 legte Weihbischof Dr. Johannes Höcht den Grundstein, er trägt einen Pfeiler des Kirchturms und ist der größte Stein der Kirchenanlage.

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Unter Stadtpfarrer Johann Baptist Meister wurde St. Wolfgang erbaut. Pfarrer Meister kam 1889 in Erbendorf auf die Welt und wurde mit 31 Jahren als Expositus hierher entsandt, wo er in schwierigster Zeit Pfarrgemeinde und Pfarrkirche aufbaute. Sein silbernes Priesterjubiläum ist auf der Inschrift im Grundstein der Pfarrkirche verewigt. Mit 54 Jahren wurde er zum Dompfarrer berufen, viel zu früh starb er am 8. April 1946. Als Kirchenbauherr erhielt er seine letzte Ruhestätte unter dem nördlichen Bogen der Wolfgangskirche.

Mit wie vielen Opfern ist unsere Pfarrkirche errichtet worden! Die größte Schwierigkeit für Regierungsbaumeister Hans Beckers als Bauleiter bestand darin, die notwendigen Baumaterialien zu beschaffen. Vieles wurde für die Aufrüstung beschlagnahmt. Die vier Eisenträger, Metallsäulen von nur 80 Zentimetern Durchmesser, die die Hochwände tragen sollten und bereits vor der Kirche lagerten, ließ das Reichsministerium Görings für Rüstungszwecke wieder abtransportieren. Welch grazilen, leichten Charakter hätte die Wolfgangskirche durch die schlanken Säulen erhalten! Hier kommt die Genialität des Baumeisters zum Vorschein: Er konstruierte massive Betonbögen, die die Hochwände tragen sollen und der betenden Gemeinde eine wohltuende Geborgenheit schenken. Bei der Renovierung 2005 zeigten sich die Folgen des Stahlmangels in den Ziegelwänden. Im Lauf der Zeit haben sich lange Risse gebildet, Eisenklammern mussten nachträglich eingesetzt werden.

Auch die Steinabgüsse der Hauptfiguren erinnern an diese schwere Zeit. Damals konnten Künstler für Kirchen nicht gewonnen werden. Der Kirchenbaumeister wählte mittelalterliche Vorbilder, die nach dem Ende der Diktatur gottlob nicht vorschnell aus St. Wolfgang entfernt wurden, sie dokumentieren eine Zeit der Kirche in Bedrängnis. Die Figuren an der Westwand, Maria und Johannes der Täufer, treten vor den am Kreuz erhöhten Herrn fürbittend für die Gemeinde ein. Diese Gruppe bildet eine sogenannte Deesis, wie sie zu jeder ostkirchlichen Bilderwand gehört.

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Der Kriegsverlauf zwang die Bauleute an den “Westwall“, Priesterstudenten und Gymnasiasten mussten aushelfen. Ältere Priester erzählen von ihrem Einsatz auf den Gerüsten der Wolfgangskirche während der Semesterferien. An eine feierliche Kirchweihe war nicht zu denken. Während Hitler sich anschickte, die Benelux-Länder zu überfallen, segnete Pfarrer Meister am 3. März 1940 das fertig gestellte Gotteshaus und die erste hl. Messe konnte in St. Wolfgang stattfinden.

Verweilen wir nun bei der tiefen Symbolik der Wolfgangskirche, denn Kirchbauten sind Glaubenszeugnisse und sollen immer auch auf Gott verweisen, sie dienen nicht allein den Anforderungen einer Gemeinde. Dies ist an St. Wolfgang besonders deutlich zu erkennen.

Der "Dom von Kumpfmühl"

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Eine Würdigung der Wolfgangskirche ist nun an der Zeit. Die Kumpfmühler dürfen stolz auf ihre Pfarrkirche sein. Sie sind es auch, denn sie kann einige Superlative vorweisen. Über 150 Gotteshäuser wurden in der 34-jährigen Amtszeit Bischof Dr. Michael Buchbergers in der Diözese errichtet. Keine von ihnen hat jedoch derart neue architektonische Wege beschritten und ist auch nur annähernd so eigenwillig und klar ausgefallen wie St. Wolfgang. Ihre unverwechselbare Gestalt auf dem Königsberg dominiert über dem Stadtteil. Mit ihr wurde das historische Regensburg um ein Wahrzeichen aus der Neuzeit bereichert.

Das Äußere will mit dem Dom wetteifern, der die mittelalterliche Kirche repräsentiert. Beide stehen an markanten Punkten unserer Stadt, an den beiden Römerkastellen. St. Wolfgang ergänzt, was am Dom fehlt, ordnet sich aber zugleich unter. Die Kathedrale im Tal wirkt filigran, hochstrebend, besitzt ein Langhaus, jedoch ohne eine Fensterrose. St. Wolfgang am Berg hat glatte Wänden und waagrechte Streifen, ein Zentralbau mit vier Rosetten. Sie will Kirche unserer Zeit sein.

Von welcher Seite man sich der Wolfgangskirche auch nähern mag, überall fällt die wuchtig aufragende Kreuzform ins Auge. Das Kreuz wird ins Überdimensionale gesteigert und ist die eigentliche Botschaft des Baus. Durch das Kreuz der Erlösung ist uns der Zugang zur Himmelsstadt eröffnet. Um die reine Kreuzform der Kirche zu erhalten, wurde der Glockenturm bescheiden daneben gesetzt. St. Wolfgang ist eine zu Stein gewordene Verkündigung, ein eindrucksvolles Symbol unseres Glaubens. 

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„Ich baue, was ich glaube“, sagte Böhm. Seine geistigen Wurzeln gehen zurück auf den Religionsphilosophen Romano Guardini, der ihn mit seiner Christozentrik prägte. Böhm kannte auch die sogenannte Liturgische Bewegung, ausgehend um 1925 von Maria Laach bei Köln, die die Mitwirkung der Gemeinde entdeckte. In St. Wolfgang wird schon drei Jahrzehnte vor dem 2. Vatikanischen Konzil das Wort Gottes durch zwei Ambone betont, der Chor erhält eine herausragende Rolle, indem er im Altarraum Platz findet. Der Taufstein fristet kein Winkeldasein, sondern erhält Platz in einem Baptisterium wie in frühchristlicher Zeit. Die Gemeinde gruppiert sich im Halbkreis um den Altar zur Mitfeier. Der Altar selbst steht im Mittelpunkt, ein Novum im neuzeitlichen Kirchenbau.

Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau

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Im Zweiten Weltkrieg fielen 250 Pfarrangehörige auf Kriegsschauplätzen. Ihre Namen sind auf den Tafeln an der Südwestecke in der Kirche verzeichnet. Daheim waren zusätzlich 200 Opfer bei Bombenangriffen zu beklagen, der schwerste ereignete sich am Dienstag, den 28. Dezember 1944, vier Jahre nach der Fertigstellung der Wolfgangskirche. Die Schlacht um Stalingrad war längst verloren, die Alliierten standen bereits auf deutschem Boden, ihre Bombenabwürfe sollten die Bevölkerung zermürben. Am besagten Tag der Unschuldigen Kinder schlug ein Bombenhagel um 12.30 Uhr mittags eine Schneise von der Theresienkirche bis zur Eigenheimsiedlung hinauf. In diesen Sekunden verloren 29 Menschen ihr Leben, darunter alle neun Mitglieder der Bäckersfamilie Graf aus der Kumpfmühler Straße mit Ausnahme der Tochter Hilde. Pfarrhof und Kirche erhielten Volltreffer. Das steinerne Wolfgangshochgrab wurde zum Altarraum geschleudert, der Niederkirche fehlte das Dach. Die Verdunkelung der Kirche mit grünen Binsenmatten hatte den Angriff nicht verhindern können. Noch 1996 stieß man beim Pfarrheimbau hinter der Kirche auf einen Bombentrichter.

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An dieser Stelle gilt unser Andenken Stadtpfarrer Georg Lacher, der sich um die Opfer in heroischer Weise angenommen hatte. Ein Jahr vor dem besagten Angriff hatte ihn Erzbischof Buchberger nach St. Wolfgang entsandt, wo er dann mehr als eine Generation prägte (1943 - 1972). Noch heute ist Prälat Lacher für Kumpfmühler ein Begriff. Er ließ die schwer beschädigte Pfarrkirche, die Hauskapelle und das Pfarrhaus unter unvorstellbaren persönlichen Einsatz herrichten. Ihm zu Ehren zeigt das Steinrelief bei der Pfarrhaustür den hl. Georg, auch eine Kirchenglocke ist nach seinem Namenspatron benannt. Unter ihm wuchs St. Wolfgang zur größten Pfarrei im Bistum, bis St. Paul 1972 abgetrennt wurde. Seine Verdienste wurden gewürdigt durch die Verleihung des Ehrentitels Prälat, den er in St. Wolfgang noch fünf Jahre tragen durfte. Er starb er am 1. Oktober 1974 mit 71 Jahren, sein Grab befindet sich an der Friedhofsmauer in Neukirchen-Balbini.

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Für Stadtpfarrer Lacher war die Not seiner Pfarrkinder auch seine eigene. Dabei ist besonders das Flüchtlingselend anzusprechen. Vertriebene wurden in der Ganghofersiedlung und an der Theodor-Storm-Straße einquartiert, die Zahl der Pfarrkinder stieg dadurch auf 14.000 an, aber es fehlte ein weiterer Kindergarten, der schließlich 1953 genehmigt wurde. Der Schriftwechsel im Pfarrarchiv spricht von der verheerenden Lage nach der Kapitulation. Überall fehlte Baumaterial, der Schwarzmarkt blühte, denn die Reichsmark war nichts mehr wert, Tauschhandel war angesagt. In diesem Elend sollte die zerstörte Stadtpfarrkiche wieder hergestellt werden. Manche meinten, Wohnhäuser seien notwendiger. Im Mai 1947 waren die Schäden an den Fensterrosetten mit Glasstücken des zerstörten Münchner Hauptbahnhofs ausgebessert. Im gleichen Jahr wurden auch die fünf Glocken aufgezogen. 1948 stand das neue Pfarrhaus. Seine Hauskapelle hält im Patronat der Unschuldigen Kinder den Bombenangriff in Erinnerung.

Bald zeigte sich, dass eine Pfarrgemeinde der Mitte bedarf, gerade nach jenen bitteren Jahren, in denen sich eine Ideologie ohne Gott ausbreiten konnte. Noch mehr: In den Jahren der Armut stifteten die Pfarrkinder wertvollste liturgische Geräte zur Ehre Gottes: den Wolfgangskelch und die Wolfgangsmonstranz, eine der seltenen Goldschmiedearbeiten jener Nachkriegsjahre, einmalig in der Diözese.

Elf Jahre nach Baubeginn und fünf Jahre nach ihrer Verwüstung konnte endlich der Weihetag der Pfarrkirche angesetzt werden. Man schrieb den 12. Juni 1949. Erzbischof Dr. Michael Buchberger konsekrierte die Wolfgangskirche, die Teilnahme der Gläubigen an dieser bewegenden Feier war groß.

St. Wolfgang wird größte Pfarrei

Pfarrgeschichte berührt und spiegelt stets die allgemeine Entwicklung ihres Umfelds. Während der folgenden Aufbaujahre nach dem Krieg war auch eine religiöse Aufbruchsstimmung zu spüren. Alte Kumpfmühler erzählen, wie dicht die Menschen in der Wolfgangskirche die Sonntagsmessen verfolgten, und der Mesner konnte sich mit seinem Klingelbeutel schwerlich einen Weg durch die Menge bahnen. Damals leuchteten alle Facetten pfarrlichen Lebens auf. Die Gläubigen wurden zu Standespredigten, Anbetungen und zur Monatskommunion eingeladen, 1950, 1961 und 1978 wurden Volksmissionen abgehalten. Eine Krankenpflegestation kümmerte sich um die Hauspatienten, die Pfarrcaritas sammelte Sachspenden und verteilte materielle Hilfe, Kinder wurden mit Essen versorgt, und Weihnachtspäckchen in die DDR verschickt. Es war die Blütezeit der Volkskirche, jede und jeder gehörte dazu.

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Es wuchsen neue Siedlungen, darunter die Trabantenstadt Königswiesen. Universität und Fachhochschule wurden gegründet, Studenten zogen ins Pfarrgebiet. Die Pfarrei, die mittlerweile 17.150 Katholiken zählte, wurde 1972 geteilt und die neue Pfarrei St. Paul entstand.

Die Ministrantenzahl erreichte 1970 ihren höchsten Stand mit 120 Buben, die starken Jugendstämme der Pfadfinder und der Pfadfinderinnen verbrachten ihre Wochenenden gern im Landhaus Lindach bei Kelheim. Die pfarrlichen Verbände blühten auf, so der bereits 1926 gegründete Mütterverein, die Marianische Männerkongregation, das Werkvolk (KAB), 1946 wird die Kolpingfamilie ins Leben gerufen, 1970 der Frauenbund und schließlich 1973 der Altenclub.

Weil ein Pfarrheim fehlte, traf man sich im Behnerkeller oder im alten Pfarrsaal an der Theodor-Storm-Straße. Es wurden auch Räume im Scala-Kino gemietet, die Mädchen trafen sich in einem Refugium hinter der Kirche, der Kirchenchor im Keller des Pfarrhauses. Wenn auch die Raumsituation ungenügend war, so zeigten doch alle Gruppen ein reges Leben und zählen bis heute zu den Säulen der Pfarrgemeinde. Viele Ordensschwestern und 54 Neupriester kamen seit Bestehen der Pfarrei bis 2018 hervor, eine beachtliche Anzahl. Der Großteil von ihnen sprach in diesen Jahrzehnten tiefer Frömmigkeit ihr Adsum ("Hier bin ich - Ich bin bereit."). Etliche entschlossen sich, in die Mission zu gehen, einer unter ihnen wurde Bischof in Südafrika, Dr. Hubert Bucher.

Frische nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil

Die Jahre des Wirtschaftswunders zeigten bald eine andere, bittere Kehrseite: Viele vergaßen die Sorge um die eigene Seele. Doch das Zweite Vatikanische Konzil brachte die Öffnung zur Welt, und den Pfarrgemeinden einen spürbaren Aufbruch. Nach der Liturgiereform wurde das Kreuz, das sich bisher auf dem Altarstein befand, in den Lettner zurückversetzt. Als 1968 im Sinne des Konzilsdekretes Lumen Gentium Pfarrgemeinderäte ins Leben gerufen wurden, erwies sich dieser Schritt als segensreich. Laien sind aus dem Leben der Pfarrgemeinde nicht mehr wegzudenken.

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In der Zeit nach dem Konzil war Stadtpfarrer Helmut Huber (1972 – 1992) in St. Wolfgang. In seine Amtszeit fielen umfangreiche Reparaturarbeiten, die in den Jahren 1974 bis 1979 am Dachstuhl und an den Außen- und Innenwänden der Pfarrkirche notwendig geworden waren. Auch der Einbau einer Fußbodenheizung in der Wolfgangskirche fällt unter seine Verantwortung. Pfarrer Huber war auch Sekretär des Priesterrates. Drei Jahre vor seinem Weggang wurde er zum Monsignore ernannt. 1992 zog er nach Freising, wo er als Direktor der Theologischen Fortbildung wirkte. Seit 2004 hilft der Prälat im Pfarrverband Allershausen und gegenwärtig in Kirchdorf mit.

Einen herben Einschnitt bildete 1987, als sich die Karmelitenpatres von St. Theresia zurückzogen, die dort segensreich gewirkt hatten. Um die Seelsorge aufrecht zu erhalten, helfen seitdem die Priester der Pfarrei aus. Seit 1995 geschieht dies auch im Bürgerheim.

Die letzten Jahre sind unseren Lesern noch gut in Erinnerung. Sie zu beurteilen wird späteren Zeiten vorbehalten sein, dennoch sollen drei Bereiche erwähnt werden: auf den Pfarrheimbau, auf die Kirchenrenovierung und auf die Herausforderungen in der Seelsorge, denn eine Pfarreigeschichte darf nicht nur Bauwerke oder Renovierungen aufzählen.

Der Bau des Pfarrheims 1996 - 1998

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Jahrzehntelang hat die Pfarrgemeinde auf ein neues Pfarrheim gewartet (Das Bild zeigt den Platz, auf dem heute das Pfarrheim steht). Endlich am 22. Januar 1993 fiel unter dem neuen Pfarrer Alois Möstl der Beschluss der Kirchenverwaltung zu einem Pfarrheimbau. Kirchenpfleger Prof. Dr. Gottfried Nahr ging energisch das Projekt an, und zwar folgendermaßen:

Bereits 1940 gab es Pläne vom Kirchenarchitekten Böhm, an der westlichen Seite der Kirche ein Gemeindehaus zu errichten, der Krieg ließ diese Pläne in Vergessenheit geraten, zumal dort inzwischen das Hemmaheim der Kath. Jugendfürsorge stand. Es wurde ernsthaft erwogen, den Schmauskeller oder das alte Skala-Kino zu erwerben und umzubauen, auch ein Standort im Pfarrgarten wurde debattiert.

In dieser Situation stellte sich eine glückliche Fügung ein: Mit dem Neubau des Hauses Hemma eröffnete sich 1993 die Möglichkeit zu einem Grundstückserwerb von der Kath. Jugendfürsorge, um Platz für das Pfarrheim im Westen der Kirche zu schaffen. Dazu musste die Grenze um einige Meter zum Haus Hemma gerückt werden. Dies gelang in zähen Verhandlungen. Die ursprüngliche Idee Böhms schien wieder realisierbar, das Pfarrheim als Pendant zur Niederkirche zu errichten und damit einen Zentralbau zu schaffen.

Im November 1994 erhielt der Entwurf des Kölner Architekten Peter Böhm (geb. 1954), ein Enkel des Kirchenbaumeisters, den Zuschlag in einem Architektenwettbewerb. Ausschlaggebend war die konsequente, architektonische Umsetzung des zentralen Gedankens beim Bau der Wolfgangskirche:

Christus ist die Mitte unseres Lebens.

Das neue Pfarrheim soll den bestehenden Vorbau der Kirche im Osten nun auch im Westen wiederholen. Es fügt sich ein in die Gesamtanlage, ihr Mittelpunkt ist der Altar. Hier mündet unser Wirken ein in den Lobpreis Gottes, von dort fließt unserer Pfarrgemeinde Kraft zu. Diese Grundidee ist in ihrer Einfachheit und Konsequenz bestechend. Denkmalpflege und städtebauliche Aufsicht waren davon begeistert.

Alle Gruppierungen der Pfarrei brachten ihre Wünsche für die Raumaufteilung im Pfarrheim vor, besonders die Jugend sollte sich im Untergeschoss wohlfühlen. Die Pfarrmitglieder unterstützten das Projekt in einer hervorragenden Weise mit Spenden und Patenschaften, und dies in einer Zeit, als Arbeitslosigkeit herrschte und Ausgaben hinterfragt wurden.

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Der Grundstein, am 13. Juli 1996 gelegt, stammt aus der Nachbardiözese Pilsen. Die eigentliche Bauphase hatte es in sich. Schon die Wahl des Materials bedurfte einiger Überzeugungskraft, nicht nur bei den Mitgliedern der Kirchenverwaltung. Man entschied sich für glänzenden Weißbeton. Beim Gießen gelang aber nicht jeder Abschnitt gleich gut, hier traten wetterbedingte Farbabweichungen auf, dort ist eine Betonnase abgesprungen. Die Firmen mussten Höchstleistungen erbringen, schließlich galt es, 500 Kilogramm schwere Schalungselemente, die wegen der erhabenen Fugen nur einmal verwendet werden konnten, auf den Millimeter genau zu platzieren und zu justieren.

 Bilder vom Baufortschritt

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Das Ergebnis: Einheit von Raum und Licht

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Nun steht es da, das Bauwerk, und zeigt die Leistung der Bauleute. Wände, Steine und Hölzer sind weitgehend unbehandelt, was nicht heißt, dass später einmal auch ein Maler kommen kann. So ist der Bau ein Zeugnis für unsere Zeit, was ihr und der Kirche not tut: die Echtheit.

Architekt Peter Böhm dachte bei seiner Planung an das angrenzende Römerkastell, an die Straßen und Plätze der Regensburger Altstadt, an die Geschlossenheit und den meditativen Charakter der Wolfgangskirche mit ihren Kalksteinbändern und dem Maßwerk der Fensterrosen. Diese Gedanken übersetzte er, ohne die Wünsche der Pfarrmitglieder zu übersehen:

Kolonnaden, die den sakralen Charakter unterstreichen und auf das Römerkastell verweisen, eine Gasse, Plätze, ein Labyrinth, die durchgehende Bänderung im Mauerwerk und die reich gegliederte Fassade des Pfarrheims, die sich zur Kirche hin öffnet. Es wuchs ein Schmuckstück, das die innere Konzeption der Kirche nach 50 Jahren vollendet.

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Der Wolfgangsaal besticht durch seine ausgewogene Proportionen und eine raffinierte Lichtführung. Das Rot der Deckenbemalung vermittelt eine religiöse Komponente. Durch drei gestaffelte Wandebenen hindurch bleibt die Pfarrkirche im Wolfgangsaal präsent.

Auch die künstlerische Ausstattung des Pfarrheims sollte nicht hinter der Architektur zurückstehen. Gott ist Licht und seine Gnaden durchdringen jeden Menschen wie die Sonnenstrahlen das Glas, ohne zu verletzen. Darum spielt Glas im Pfarrheim eine entscheidende Rolle. Der aus Kumpfmühl stammende Künstler Bernd Michael Nestler (* 1960) setzte hier Akzente.

Der 8. März 1998 sah eine bis auf den letzten Platz gefüllte Pfarrkirche, der ersehnte Tag der Einweihung durch Bischof Manfred Müller war gekommen. Die Kumpfmühler freuten sich über das gelungene Bauwerk. Es brachte neue Impulse in das Leben der Pfarrgemeinde. Beim Bischofsbesuch 2003 stellten sich 36 pfarrliche Gruppen und Verbände vor, die sich regelmäßig im Pfarrheim treffen, ihre Anzahl ist seither noch gestiegen. Durch das Pfarrheim als Kommunikationszentrum wurde auch der Bürgersinn in unserem Stadtteil beflügelt. Mit Unterstützung der Pfarrei entstanden Gruppen, die sich für die Belange unseres Stadtteils einsetzen, so die Kumpfmühler Runde, die Aktion Kumpfmühler Marktfest oder die Jahrtausendfeier 2009.

Hierbei ist auch das Kulturforum zu erwähnen, das Glanzpunkte im Bereich Bildung und Kultur setzt, darunter bewundernswerte Ausstellungen. Die Identität mit dem Stadtteil wurde bestärkt durch ein Fotoheft „Erinnerungen an Kumpfmühl“. Es war der erste Versuch, die Entwicklung und rasche Veränderung unseres Stadtgebietes mit alten Fotos zu belegen.

Ausführlicher Rundgang durch das Pfarrheim

Die Jahrtausendwende

Die Glocken von St. Wolfgang läuteten das Heilige Jahr 2000 ein. Es hatte viele Höhepunkte gesehen, darunter das große ökumenische Treffen mit evangelischen, orthodoxen und altkatholischen Christen während der Pfarrwoche. Dieses Miteinander gehört zur Glaubwürdigkeit. So fanden während des Baus des ev.-luth. Gemeindezentrums St. Johannes die Gottesdienste in St. Theresia und in unserem alten Pfarrsaal statt, ihr Kindergarten war in unserem Kindergarten St. Wolfgang II. untergebracht. Der rumän.-orth. Gemeinde stand die Krypta 2001 für ihre Liturgie offen. Viele Gemeinsamkeiten tätiger Nachbarschaft und Geschwisterlichkeit wären noch anzufügen.

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Städtische Anonymität und unsere mobile Gesellschaft erfordern einen besonders intensiven Kontakt der Pfarrei mit ihren Gläubigen. Es bedarf immer wieder der Feste und Feiern, bei denen sich die Pfarrfamilie als Ganzes wahrnimmt. So wird auf Jubiläen besonderer Wert gelegt, wir feiern auch gerne das Patrozinium oder die Pfarrwoche. Zur Tradition zählen auch die Wallfahrten, sie festigen den Glauben und die Gemeinschaft. Dabei sind die Fußwallfahrer zum Frauenbründl und nach Altötting oder unsere große, alle zwei Jahre stattfindende Pfarrwallfahrt ebenso zu nennen wie mehrtägige Pilgerreisen. Brücken zu allen Pfarrangehörigen werden auch durch die Rosette geschlagen, ein besonders gestalteter Pfarrbrief, der seit 1996 dreimal im Jahr in alle Haushalte getragen wird und auch spirituelle Impulse enthält. Seit 1999 sind wir als eine der ersten Pfarreien im Internet präsent. Hervorzuheben ist die Geschlossenheit der Pfarrmitglieder. Möge dies auch fortan so bleiben!

Die Kirchenrenovierung 2001 - 2005

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Auswärtigen Besuchern fiel es zuerst auf: Eure Pfarrkirche zeigt Risse, Pfützen bilden sich bei Regen, die Wandflächen sind verrußt, die Neonröhren antiquarisch. In mehreren Bauabschnitten wurden zwischen 2001 und 2005 die Taufkapelle, das Kircheninnere, der Außenputz und schließlich die Krypta von Grund auf renoviert, auch das Eternit-Dach der Niederkirche, ausgeführt vom Büro Siegmüller.

Laservermessungen über einen längeren Zeitraum hinweg brachten Aufschluss über die Ursache der Risse, die auf einer Länge von zehn Metern die Hochwände spalteten: Es sind die Temperaturschwankungen in den Rosetten. Die leichteren Betonteile der Fenster verhalten sich dabei anders als das schwere Ziegelmauerwerk. Mit Stahlklammern wurde versucht, die Mauerbewegungen zukünftig in den Griff zu bekommen. Die Renovierung des Kirchenraums erfolgte in einer Rekordzeit von 19 Kalenderwochen mit einem ausgeklügelten Bauzeitenplan, damit sich die Gemeinde währenddessen nicht zerstreut. Mehrere Firmen arbeiteten gleichzeitig. Vom Juni bis Oktober 2004 fanden die Sonntagsgottesdienste in St. Theresia statt. Am Patroziniumsfest dieses Jahres konnte Bischof Gerhard Ludwig Müller das herausgeputzte Gotteshaus der Pfarrgemeinde zurückgeben. Der Innenraum begeisterte alle ob seiner Helle und Wärme, nicht zuletzt wegen des völlig neuen Lichtkonzeptes.

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Von der großen Unterstützung und Opferbereitschaft der Pfarreimitglieder erzählt das Wolfgangsmedaillon an der Ostwand: Eine Malerei in Gold und Blau auf Glas drückt den Dank an die Wohltäter aus. Die Namen stehen symbolhaft für die vielen, die unbekannt bleiben wollten. Das Motiv zeigt einen Goldgulden mit dem hl. Wolfgang, der ein Kirchenmodell trägt. Die Scheibe hebt sich angenehm von üblichen Gedenksteinen ab.

Was bringt die Zukunft?

Rein äußerlich gesehen ist alles noch so wie vor 20 oder 30 Jahren. Der Hahn auf dem Dachreiter begrüßt nach wie vor als Erster die aufgehende Sonne, Kumpfmühl hat nichts von seinem Reiz verloren, wenngleich die baulichen Veränderungen unübersehbar sind.

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Auch die religiöse Landschaft wandelt sich. Dabei macht unser Stadtteil keine Ausnahme im deutschlandweiten Trend zu neuen Lebensformen, geringer werdenden Kinderzahlen und zurückgehender religiöser Praxis.

Jeder Wandel birgt aber auch neue Chancen. Es besteht kein Grund zur Klage, denn Großveranstaltungen wie Weltjugendtage sind leuchtende Zeichen, dass sich die jungen Leute für den Glauben begeistern lassen. Unvergesslich bleibt der 12. September 2006, als der Heilige Vater im Papamobil an der Wolfgangskirche vorbeifuhr. Dicht gedrängt standen die Menschen entlang der Bischof-Wittmann-Straße, jubelten ihm zu und schwenkten Papstfahnen. Seit den 68er-Jahren war immer wieder zu hören, die Religion werde bald keine Rolle mehr spielen, dass es so etwas wie ein Naturgesetz gebe, wonach der christliche Glaube in Deutschland immer schwächer und kraftloser werde oder sich in ein anspruchsloses Kulturchristentum wandle. Das Gegenteil ist der Fall.

Natürlich werden sonntags die Kirchenbänke leerer, doch ist auch die Katholikenzahl von 11.000 (Jahr 1990) um 30 Prozent auf 7.674 (2007) zurückgegangen. Die Gründe dafür sind nicht Kirchenaustritte, die gibt es auch, sondern die Fluktuation. Sie ist in unserer Pfarrei wie in keinem anderen Teil Regensburgs ausgeprägt. Jährlich gibt es etwa 700 Wohnungswechsel im Pfarrgebiet. Nicht jeder Neuzuzug ist wieder katholisch. Dennoch ist der Messbesuch dank des reichen Gottesdienstangebots und der mithelfenden Priester erfreulich.

Optisch gesehen mag die Zahl der Kirchenbesucher an den Sonntagen weniger werden, was mancher beklagt, doch dies ist allein auf die rückläufige Zahl der Katholiken zurückzuführen, der Kirchenbesuch jedenfalls ist seit 15 Jahren stabil bei über 16 Prozent. Für eine Stadtpfarrei dieser Größe ein respektables Ergebnis.

Auch die Jugend ist nicht schlecht aufgestellt. 2007 wohnten in unserer Pfarrei 590 junge Leute zwischen 8 und 18 Jahren. Fast die Hälfte davon ist - trotz anderer Freizeitangebote - in unseren drei großen Jugendstämmen Ministranten, Pfadfinderschaft DPSG oder PSG während ihrer ganzen Jugendzeit oder auch nur für einige Jahre eingebunden. Die Seelsorger investieren hier viel Engagement und Zeit.

Das erwachte Interesse an christlichen Werten und guter Erziehung spürt man in den großen Nachfragen auf einen Kindergartenplatz, denn unsere Kindergärten betreuen mehr Kinder, als es in dieser Altersgruppe in der Pfarrei gibt. Neue Familienkreise und Eltern-Kind-Gruppen sind ein weiterer Anlass zu berechtigter Hoffnung.

Eine Umfrage unter den Kirchenbesuchern im Jahre 1998 kam zum überraschenden Ergebnis, dass ein Teil von ihnen aus anderen Pfarrgemeinden zu uns wegen unserer Gottesdienste kommt, dies freut uns. Am meisten geschätzt wird die feierliche Gestaltung unserer Liturgie.

Aber auch die andere Seite soll nicht verschwiegen werden, und die Seelsorge muss darauf Antwort finden: Beziehungen zur Kirche werden gelockert, damit auch die Verbundenheit mit der Pfarrgemeinde. Sie beschränkt sich oft darauf, die Riten und Feiern als Angebote zu nutzen, sollten sie persönlich als bedeutsam erscheinen, doch prägend sind die Sakramente für viele nicht mehr. Dennoch sind diese Menschen religiös hungrig, denn die Welt mit ihren Plausibilitäten ist nicht alles. Viele praktizieren eine religiöse Selbstbezogenheit. Die Feststellung: "Ich habe einen christlichen Glauben, das genügt“, ist für viele zur Leit-Formel geworden. Hier stellt sich eine große Herausforderung an jede Pfarrei und die Kirche insgesamt: Wird sie in der Lage sein, diese ungebundenen religiösen Bedürfnisse zu stillen und sich so weit zu öffnen, dass auch Fernstehende eine Heimat in unserer Pfarrgemeinde finden?

  • 2008-pfarrmission
Darum ist es wichtig, eine einladende Kirche zu bleiben, auch für Menschen in glaubens- und kirchenfernen Milieus. Einen Versuch dazu stellte unsere Pfarr- und Stadtmission 2008/09 dar, die sich unser Pfarrgemeinderat zur Herzensangelegenheit gemacht hat. Der heutige Mensch will die Heilsbotschaft in überzeugenden Formen neu hören als Antwort auf die allgemeine Ermüdung im Glauben und den Prozess der Entchristlichung.

Papst Benedikt XVI. sagte einmal: „Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt“. Die Pfarrei St. Wolfgang will sie ebnen helfen.

Literatur

Der Artikel zur Pfarreigeschichte wurde von Pfarrer Alois Möstl im Jahr 2009 verfasst. Verwendete Literatur:

  • Habbel, Josef: Dominikus Böhm - Ein Deutscher Baumeister, Regensburg 1943
  • Schnell, Hugo: Dominikus Böhm, München 1962
  • Reidel, Dr. Hermann: St. Wolfgang, Kleiner Kunstführer Nr. 1137, Schnell und Steiner 1978
  • Brülls, Holger: Neue Dome, Berlin - München 1994
  • Unveröffentlichte Quellen im Pfarrarchiv St. Wolfgang Regensburg